Sommersemester 2018
Universität Hamburg

Das Requiem im 20. Jahrhundert.
Kompositionen zwischen Spiritualität und Mahnung

Vorlesung (eine Veranstaltung des Zentrum für Weiterbildung)

Donnerstags 16.15 – 17.45, Hörsaal ESA B
Termine: wöchentlich ab dem 19. April bis zum 28. Juni 2018

Den bedeutenden Totenmessen im 19. Jahrhundert, die zwischen dem Tod als musikalischer Inszenierung und der poetischen Ausdeutung des liturgischen Textes angesiedelt waren, stehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum bedeutende Kompositionen gegenüber. Aber bereits in dem weitgehend unbekannt gebliebenen »World Requiem« des britischen Komponisten John Foulds sind Tendenzen erkennbar, welche für die Komposition von Totenmessen von entscheidender Bedeutung wurden: die Auseinandersetzung mit den Schrecken der Kriege und die Verwendung von Texten, die nicht liturgischer Herkunft sind. Angesiedelt zwischen Spiritualität und Mahnung entstanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kompositionen von unterschiedlichen musikalisch-stilistischen Richtungen, die einerseits – auch gattungsgeschichtlich – sehr disparat erscheinen, andererseits jedoch, obwohl Werke der Neuen Musik, von einer breiten Publikumsschicht rezipiert wurden.

Mit Benjamin Brittens »War Requiem«, das den liturgischen Text mit lyrischer Poesie kombiniert und dem »Flieder-Requiem« von Paul Hindemith nach einem Gedicht von Walt Whitman werden zwei Kompositionen thematisiert, die sich direkt mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen. Mit Strawinskys »Requiem Canticles« und Bernd-Alois Zimmermanns »Requiem für einen jungen Dichter«, einem Lingual das zwischen Oratorium, Kantate, Messe und politischer Agitation angesiedelt ist, eröffnet sich eine ästhetische Vielfalt bis zu Kompositionen, die Eingang in die Filmmusik fanden (György Ligeti) oder in Form von neun geistlichen Konzerten das traditionelle Genre sprengen (Hans-Werner Henze). Diese Gegensätzlichkeiten gelten ebenso für Requiem-Kompositionen von Andrew Lloyd Webber (aus dem Geiste der Popmusik), von John Tavener (von der orthodoxen Konfession beeinflusst) und von Krzysztof Penderecki, das sowohl dem Katholizismus wie den politischen Veränderungen seines Heimatlandes Polen verpflichtet ist.